Montag, 3. März 2014

Kündigung die 438ste


Nie wieder wolltest du Teil sein
Von einem schiefen Ganzen
Nie wieder wolltest du
Schief sein in einem schiefen Ganzen

Nie wieder wolltest du
Dich verbiegen
Verschieben
Verleugnen
Verbergen

Was da schiefläuft
Und schief hängt
Und schief klingt
Und schief ist

Als du anfängst wunderst du dich
Dieser Typ
Dem die Kollegin den Tee bringt
Wieso ist der so dünn?
Fragt der Chef
den Tee aus dem Samowar muss die Teebringerin ordentlich mischen, ein bisschen von dem Sud in der oberen Kanne und mehr von dem heißen Wasser in der unteren

und die eine sagt nein
und die andere hört weg
doch die dritte bring ihm jedes Mal Tee
versucht ihn schneller zu bringen besser zu mischen weniger zu verschütten
als beim letzten Mal
mit zitternden Händen
und zitternder Stimme
bitte sehr, der Herr

dich fragt er nicht nach Tee
kein einziges Mal
aber Monologe hält er
über die Arbeit, wie sie zu sein hat
sein gutes Herz seine Selbstlosigkeit seinen Willen zur Unterstützung von Frauen, oh ja, der schwachen hilfsbedürftigen und einfach dummen Frauen

Nein, so machen wir es nicht,
sagt er zu deinen Vorschlägen, hast du verstanden?
Und da hat er dich, da bist du drin in der schiefen Ebene
Wenn du sagst: Ich verstehe, aber ich finde es nicht gut.
Und es machst wie er sagt.

Du bleibst beim Sie und er beim du
Schiefe Ebene
Er fälscht die Papiere
Die du nicht unterschreibst
Aber schweigst
Du hörst ihm zu, seinen dummen Litaneien über
Dein Projekt, das er nicht begreift

Geld für Dozentinnen?
Quatsch. Das machen wir anders
Seminare für Frauen?
Quatsch.

Wir wollen Geld für den Verein
Geld Geld Geld
Das machen alle so
Also jammer nicht rum

Ich hab die Nase voll
sein Kommentar zu deiner Kritik
Und da gehst du
Viel zu spät
Aber du gehst

und redest
mit kalter Wut
mit Schüttelfrost
mit Nummern in der Tasche
von Geldgebern
Projektpartnern
Kooperationsprojekten
Kolleginnen
und ja, jetzt machst du ihn platt
und hältst dich gerade

Und deine Freundin sagt Glückwunsch
Du machst aus Scheiße Gold
Und gehst dann raus
Mit erhobenem Kopf

Ein bisschen Scheiße bleibt trotzdem hängen
Die Zukunft wird zeigen
Ob die Scheiße bleibt oder zerläuft
Zu nichts als einem übel riechenden Fleck
Erinnerung

Viecher



Für Elisabeth

Manchmal vergessen sie, dass sie Tiere sind, kleine, pelzige, empfindliche Viecher. Kleine stinkende Viecher, die frieren, wenn es kalt ist, die hungrig werden, wenn ihr fetter Bauch nicht gefüllt ist, die Magenschmerzen haben, wenn es nichts zu lachen gibt.
Manchmal vergessen sie das.
Manchmal vergessen sie, dass eine Maschine Öl braucht oder ein Betriebsprogramm, das aktualisiert werden muss. Und sie sind nicht mal Maschinen.
Manchmal vergessen sie, wie klein sie sind und wie empfindlich, dass sie Ruhe brauchen, einen Platz, um ihre haarigen Pfoten hochzulegen und ihre Schätze zu vergraben, um sie manchmal hervorzuholen und abzulecken.
Manchmal vergessen sie das.
Manchmal vergessen sie, dass sie Schönes brauchen und Albernes und Sinnloses, weil sie keine Maschinen sind.
Manchmal vergessen sie das.
Manchmal bleibt eins von ihnen plötzlich stehen, sieht sich um und bemerkt, wie schnell es gelaufen ist. Dann setzt es sich hin, atmet tief durch und streckt die Pfoten mit den knotigen Krallen in den Wind.

Wohin die Verzweiflung Autor_innen treiben kann

Leider gibt es neben professionellen Literaturagenturen und -verlagen auch ziemlich viele miese Versuche, hoffnungsvollen angehenden Autor_innen Geld aus der Tasche zu ziehen. Dazu gehören zum einen Verlage, die sich für die Veröffentlichung eines Buches bezahlen lassen, das dann nie in den Läden erscheint und manchmal nicht einmal eine ISBN erhält, zum anderen auch angebliche Literaturagenten, die auf absurde Weise Hoffnung auf eine Veröffentlichung machen. 

Eine Bekannte von mir hat ein Buch geschrieben und schreibt einen selbsternannten Agenten an, den sie im Internet gefunden hat. Der fordert 600 Euro im Voraus, bevor er irgendwas liest. Sie lehnt ab und bekommt ein Jahr später diesen grandiosen Brief (Rechtschreibung unverändert), und fragt mich, ob das wohl was Seriöses sei.

Einmal googeln zeigt, dass der Typ schon mehrfach verklagt und auch verurteilt wurde. 


Mir gefällt der Brief sehr gut - wer weiß, wo er kreatives Schreiben gelernt hat. Und seine Webseite ist genauso hübsch. Nur doof, dass manche Menschen trotzdem drauf reinfallen.




"Liebe Frau XY,
also ich weiß ja, das Sie etwas hartleibig sind, die Honorierung einer Arbeitsleistung betreffend. Und deshalb bleiben Sie wohl auch einer einmaligen Beteiligung an unseren Kosten in kaum zu diskutierenden Rahmen abhold.
Nach unserem umfangreichen und durchaus von Liebenswürdigkeitgeprägten lebhaften Gedankenaustausch vor einem eleganten Jahr habe ich Ihr Projekt nicht vergessen, sondern Ebselbiges spukt in vertretbaren Zeitabständen in meinem Kopf herum.
Nun trug es sich zu, das ich vor einigen Tagen bei einem Gespräch mit einem der führenden Verleger auf Ihr Buchprojekt zu sprechen kam und – kein Wunder – Interesse fand.
Jetzt haben wir ja außer charmanter Plauderei immer noch keinen Vertrag miteinander, der uns die die Lage hievt Ihr Buchprojekt zu realisieren.
Und bevor ich jetzt weiter fistele frage ich an, ob Sie – gegenseitig schlank verzichtend auf die einmalige Beteiligung – mit unserer Beteiligung von 10 % bei einer Publizierung still jubelnd einverstanden sein würden.
Die Sache selbst köchelt jetzt in einem großen Verlag und bevor ich nun nachheize erbitte ich jetzt Ihre Entscheidung.
Geht das oder soll ich alles vergessen?
Und wenn das geht, senden Sie uns – auch über Mail abc@... – das vollständige Manuskript?
Herzliche Grüße
YZ"

Aktuelle Kurse

Liebe Kommiliton_innen,

in den nächsten Wochen gebe ich einige Schreibkurse. Ich würde mich freuen, wenn welche von euch daran teilnehmen!

Freitag, 21.03.2014, 10-17 Uhr
Kreatives Schreiben
LiMA #14

Samstag, 22.03.2014, 10-17 Uhr
Kritisches Schreiben
LiMA #14

Samstag, 19.04. und Sonntag, 20.04.2014, 9-16 Uhr
Vorurteile und Konflikte kennen wir alle - arbeiten wir daran! Mit kreativem Schreiben, Anti-Bias und Theatermethoden
Claire Horst+Antonie Armbruster-Petersen

Außerdem gebe ich ab dem 9. Mai 2014 im Nachbarschaftshaus Urbanstraße einen Kurs in Kreativem Schreiben für Menschen, deren Erstsprache nicht Deutsch ist. Wenn ihr interessierte Menschen kennt, leitet gern weiter!

Lesen im Internet - Spritz

Zu unserer Diskussion über unterschiedliches Lese- und Schreibverhalten im Internet und analog passt dieses Projekt:

Lesen auf Speed (Artikel in der Süddeutschen)

Ausprobieren: Spritz