Dienstag, 11. Februar 2014

Freude schöner Götterfunken

Was für eine Scheißwelt, was für ein beschissenes Europa.
Während sich alle das Maul über die ach so rassistischen Schweizer_innen zerreißen, passiert fast unbemerkt das hier:

Drei Menschen sterben bei einem Brandanschlag, nur "zufällig" ist es ein Haus, in dem vor allem Flüchtlinge leben, das angezündet wurde. Berichtet wird mitleidheischend über den Täter, der "mit der Schuld leben muss" - was für einen Nachrichtenwert soll diese Meldung haben? http://www.welt.de/regionales/hamburg/article124717367/Nach-Feuerdrama-muss-13-Jaehriger-mit-Schuld-leben.html
Das Schicksal der Opfer, der Hinterbliebenen, der traumatisierten Mithausbewohner_innen? Keine Rede wert.

Fast gleichzeitig eine Meldung über Schüsse der Guardia Civil auf Flüchtlinge, mindestens 13 Menschen verloren dabei ihr Leben. Diese neue Dimension von Morden an den europäischen Außengrenzen - nicht mehr nur den Tod von Hilfesuchenden in Kauf nehmen, sondern sie aktiv umbringen, ist kaum einem Medium eine Meldung wert: http://www.heise.de/tp/blogs/8/155822
http://no-racism.net/article/4593/
http://www.lasexta.com/noticias/sociedad/video-demuestra-que-inmigrantes-ceuta-tocaron-territorio-espanol_2014020700189.html

Einfach nur noch zum Kotzen.

Literarisch verarbeiten? Lachhaft. 

Die Wahrheit

Es gibt keine Fakten. Alles ist irgendjemandes idiotische Erfindung. (Tarkowski, Stalker)

Donnerstag, 6. Februar 2014

Dialekt und Status


Nachdem sich schon Dorothea und Ulrike Gedanken zu Dialekten und deren Status gemacht haben und mich zum Nachdenken gebracht haben, bin ich über Jayrome auf diesen Blogeintrag gestoßen: http://clararosa.blogsport.de/2014/02/06/hoemma-zu/. 
Die Autorin schreibt über die klassistische Abwertung, die sie (nicht nur) im akademischen Kontext als Dialektsprecherin erfährt.

Welchen Status sprechen wir Dialektsprecher_innen zu? Wieso wird Menschen, die kein lupenreines Hochdeutsch sprechen, mangelnde Bildung oder sogar mangelnde Intelligenz zugesprochen? Was ist mit "mangelnder Bildung" überhaupt gemeint? Mangelnde formale Bildung? Der fehlende Erwerb von staatlich anerkannten Abschlüssen?

Auf Ulrikes Ansatz in ihrem Buch, mit verschiedenen Sprachformen zu hantieren, um unterschiedliche Ebenen der Kommunikation auszudrücken, bin ich gespannt. Ich persönlich kann das nicht - als Lehrerinnenkind

Ein Vergleich zeigt vielleicht, was der deutschen Literatur durch die Nichtbeachtung von Dialekten und unterschiedlichen Sprachformen eigentlich entgeht, wie viele Stimmen bisher kaum erklingen:

In der englischsprachigen Literatur werden unterschiedliche "Englishes" längst genutzt und nach meinem Eindruck viel weniger gewertet als im Deutschen. Und das gilt für Dialekte in Großbritannien genauso wie für die globalen Ausprägungen des Englischen.

Irvine Welsh (den ich ansonsten gruselig finde) schreibt auf Schottisch, Salman Rushdie und Anita Desai mischen Einflüsse aus dem Urdu, Hindi und Gujarati mit dem Englischen als Verkehrssprache (oft als ´"Chutneyfication" bezeichnet), längst gibt es mit Aimé Cesaires "Une Tempete"eine karibische, postkoloniale Version von Shakespeares "The Tempest". Das Bewusstsein für die Existenz von vielen Erscheinungsformen einer Grundsprache ist größer - vielleicht auch aufgrund der Tatsache, dass die koloniale Vergangenheit Großbritanniens eine anerkannte Tatsache ist und sowohl Großbritannien als auch die USA, Kanada oder Australien sich selbstverständlich als Einwanderungsländer begreifen (wogegen das Deutsche Reich..., ach, die paar Kolonien (Infos dazu hier und hier und hier und hier und hier und  und Zuwanderungsland ist D. ja erst seit 2004.)

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang das Froschungsprojekt von Heike Wiese. Sie hat den Begriff "Kiezdeutsch" geprägt und versteht die Sprache Jugendlicher mit Migrationshintergrund als eine neue Varietät, also nicht als restringierten Code, sondern als eine Jugendsprache mit eigener Grammatik und eigenem Vokabular. Aus der Literatur sind mir bisher nur die Werke von Feridun Zaimoglu bekannt, z.B.  - der hantiert aber mit einer ziemlich mackerigen Kunstsprache und nicht einer tatsächlich existenten Sprache (Textauszüge aus "Kanak Sprak", Interview mit Zaimoglu).

Vielleicht ist es in Österreich, in der Schweiz, in Liechtenstein oder Luxemburg anders? Gibt es zum Beispiel Literatur, die das Jenische oder Deutsche mit dem Letzeburrgischen mischt? Kennt eine_r deutschsprachige Texte, in denen Sorbisch genutzt wird?

Mittwoch, 5. Februar 2014

eine interessante Veranstaltung: Anonym und sicher im Internet - Cryptoparty

http://www.aktion-freiheitstattangst.org/archiv/articles/4145-20140211-cryptoparty-zum-sid14.htm

Ankündigungstext:


"Wie in den letzten Jahren wollen wir auch an diesem Safer Internet Day (SID14) wieder eine Veranstaltung (nicht nur) für Jugendliche anbieten, in der wir die Gefahren für unsere Daten durch staatliche Überwachung und den Datenhunger der Wirtschaft aufzeigen und gemeinsam nach Alternativen suchen.
Am Safer Internet Day, am Di, 11.2.2014 ab 19h
im Antikriegscafé COOP, Rochstr. 3, 10178 Berlin, Nähe Alexanderplatz
Geodaten: N52.5238, E13.4073 Auf Karte anzeigen
Nachdem wir in den ersten 60 Minuten die Gefahren gesammelt haben, wollen wir den zweiten Teil als Cryptoparty gestalten und gemeinsam ganz konkrete Probleme anpacken. Wir wollen unsere Laptops sicherer machen, also bringt eure PCs mit,
  • Mailverschlüsselung (z.B. Thunderbird mit Enigmail)
  • BitMessage als Alternative zu den alten Mailprotokollen
  • Retroshare (verschlüsselte Kommunikation und serverloses Filesharing)
  • Tor und Jondo (anonymes Surfen)
 WLAN ist vorhanden.
Jede/r kann dem Datenhunger von Geheimdiensten und Werbewirtschaft ein Schnippchen schlagen!
PS. Wir bitten für die Platzplanung um Anmeldung per E-Mail an kontakt@aktion-fsa.de
Dies kann auch anonym ohne Nennung eines Namens erfolgen, denn wir wollen keine Datensammler werden."

Dienstag, 4. Februar 2014

Das erste Semester an der ASH - Beitrag zu Astis' Blogparade

Astis fragt nach unserem Rückblick auf das erste Semester an der ASH - viele der Fragen, die in einigen der Blogs aufgetaucht sind, stelle ich mir da wieder:


Was erwarte ich eigentlich für mich von diesem Studium? - und: Wie viel davon hat sich bisher erfüllt?

Was nehme ich Neues mit?

Wie empfinde ich meine Rolle in dem Studiengang?

Wie persönlich will ich und kann ich dazu schreiben? - Wie funktioniert das Bloggen überhaupt für mich?

Was wünsche ich mir für die weiteren Semester und Module?



Vor vier Monaten habe ich nicht nur das Studium aufgenommen, sondern genau gleichzeitig auch einen neuen Job angefangen. Auch da habe ich eine für mich vollkommen neue Rolle angenommen: Nicht mehr Freiberuflerin oder Mitarbeiterin, sondern Projektleitung. Eine große Herausforderung im Positiven wie Negativen. Für mein Schreiben hieß das: viel zu wenig Zeit. Daher war ich einerseits froh über die beständige Anregung, zumindest die Schreibaufgaben zu erledigen - sonst hätte ich überhaupt nichts zu Papier gebracht. Andererseits: Fast immer habe ich pflichtschuldig einen Blogeintrag verfasst, eine Hausaufgabe schnell hingeschludert, ein Feedback mit schlechtem Gewissen abgehakt, ein Referat über Nacht zusammengebastelt und übermüdet heruntergerasselt.
Dass es schwierig werden würde, ein Studium neben Beruf und Freizeit zu absolvieren, war mir vollkommen klar - dass es natürlich aus mehr bestehen würde als einem Präsenzwochenende im Monat, eigentlich auch. Dass das Gelernte, Diskutierte, Hinterfragte so intensiv in mir arbeiten würde, nicht. Ich bin froh über die vielen Denkanstöße, die mir die Dozent_innen und Kommiliton_innen gegeben haben. Viele Gedanken, die mich schon lange beschäftigen, lodern neu auf.

Bisher beschäftigen mich vor allem Fragen, die mit der didaktischen oder vielleicht zwischenmenschlichen Seite des Schreibens, besonders der Schreibpädagogik, zu tun haben:

Wie möchte ich den Rahmen meiner Schreibkurse gestalten?

Wie möchte ich als Anleiterin auftreten?

In welcher Form möchte ich Feedback geben?

Welche Übungen sind für mich, sind für welche Zielgruppe sinnvoll?

Wie gehe ich mit Kontroversen um?

Darüber ist das eigentliche Schreiben zu kurz gekommen. In den letzten Monaten habe ich keinen einzigen Text geschrieben, der mir richtig gut gefällt, an dem ich weiterarbeiten möchte oder den ich in irgendeiner Form gern präsentieren würde. Das liegt sicher einerseits an meinem bisherigen Fokus, andererseits an meinem Zeitmangel. Ich müsste mehrere Tage oder Wochen an einem Text arbeiten, über eine Idee nachdenken. Dazu bin ich bisher nie gekommen.

Muss ja auch mal schlafen.



Schade finde ich das, weil ich nicht nur deshalb studiere, um meine pädagogischen Kompetenzen zu erweitern und neue Methoden zu lernen. Ich möchte auch an meinem Schreiben feilen, möchte alte Schreibprojekte noch einmal in Angriff nehmen, möchte an meiner Bühnenangst arbeiten (wobei: Texte vorlesen fiel mir vor dem Studium sehr schwer, diese Angst habe ich fast überwunden - das ist ein großer Erfolg).

Schwierig finde ich es noch, mit der Blended-Learning-Form zurechtzukommen. Andere haben es schon geschrieben: Wie seltsam, sich in einem Text nahe zu kommen oder nahe zu fühlen und dann am Wochenende kein Wort zu wechseln, einfach, weil da noch 20 andere Leute sind, wie seltsam, zu überlegen, welches Bild ich hier wohl von mir präsentiere, wie seltsam, intime Gefühle preiszugeben, ohne diese 20 Gegenüber zu kennen. Wie schwierig auch, dem Gegenüber gerecht zu werden, das ich kaum kenne, wie schwierig, wirklich das auszudrücken, was ich sagen will, ohne missverstanden zu werden oder die andere Person misszuverstehen.



Bestätigt hat sich für mich persönlich, dass Schreiben für mich kein reines Handwerk ist. Politik, Gesellschaftskritik herauszuhalten und "nur Techniken" zu lernen, das funktioniert für mich nicht im Schreiben, genauso wenig wie es funktionieren würde, wenn ich Schneiderin oder Bäckerin wäre - dann müsste ich auch über Produktionsbedingungen, Preispolitik, Arbeitsverhältnisse nachdenken. Und das auf die Gefahr hin, dass das jetzt für manche wieder nach Moralkeule klingt - es ist einfach mein persönlicher Anspruch und bedeutet überhaupt keine Bewertung von anderen Zielen, die natürlich genauso legitim und toll und bewundernswert sind. Ich weiß auch (oder lese das aus manchen Blogbeiträgen), dass manche diese Diskussion einfach nur nervig finden. Ich hoffe, dass wir einen Weg finden, alle zu unseren Zielen zu kommen, ohne uns gegenseitig zu blockieren.

Sowieso wünsche ich mir viel mehr Austausch darüber, was die anderen Studierenden lernen wollen, was sie bisher gemacht haben, was sie schreiben, wo sie und wen sie vielleicht unterrichten. Ich wünsche mir, davon zu lernen und neue Ideen und Denkweisen vermittelt zu bekommen.

Mehr Mut habe ich bekommen im Verlauf des Studiums und freue mich über die verschiedenen Schreibkurse, die ich anbiete oder anbieten werde: Auf der LiMA im März einen Kurs "Kreatives Schreiben" und einen Kurs "Kritisches Schreiben", auf den ich selbst gespannt bin (keine Ahnung bisher, was ich da machen werde, für Anregungen bin ich dankbar!)
http://www.lima-akademie.de/, an der ASH einen Kurs, der Kreatives Schreiben, Anti Bias und Forumtheater verbindet http://www.ash-berlin.eu/profil/chancengleichheit/frauenbildungsprogramm/, und an meiner Arbeitsstelle einen Kurs für Frauen mit Deutsch als Zweitsprache - und vielleicht noch einer, den ich ehrenamtlich woanders anbieten werde. Das finde ich großartig, weil sich mein vielen Baustellen so plötzlich zusammenfügen.

Ich hoffe, dass ich in Zukunft mehr Zeit finde für das eigentliche Schreiben und auch für das Lesen der Texte und Blogs meiner Kommiliton_innen. Und für das Nachdenken darüber. Und für das Diskutieren.

Was ich mir noch wünsche:

Mehr Zeit zum intensiven Schreiben und Überarbeiten innerhalb der Präsenzzeiten

Mehr direkten Austausch mit meiner Feedbackgruppe (Asche auf mein Haupt...)

Tage, die 48 Stunden haben



(Und ich entschuldige mich für die nur so halb passende Bebilderung - soll ein Versuch sein, die Bleiwüste zu umgehen und stammt aus meinem Urlaub, der mich in den letzten beiden Wochen vom Schreiben abgehalten hat. Und noch eine Entschuldigung dafür, dass 500 Wörter nicht gereicht haben)