Woher habe ich eigentlich die blödsinnige Idee, Arbeit müsse Spaß machen, Sinn haben, erfüllend sein, irgendwas für irgendwen verändern?
Beim Nachdenken über eine der Aufgaben für das Studium ("Welche Ziele verfolgst du mit dem Studium?") fällt mir natürlich unter anderem ein, dass ich mit dem Schreiben oder dem Abhalten von Schreibkursen GELD verdienen will. Wieso eigentlich? Wieso kann ich nicht einfach einen 9-5- oder 0-8-Job machen, der meine Miete finanziert? Wieso bilde ich mir ein, Lohnarbeit müsste mich glücklich machen oder zumindest irgendwas mit mir zu tun haben?
Ich bin ja nicht die einzige, die an die grenzenlose Selbstoptimierung glaubt, die uns irgendwann dazu befähigen wird, in dieser Gesellschaft einen sinnvollen Platz auszufüllen, der uns dann auch noch Brötchen, ein Bett und vielleicht ein paar Urlaubsreisen finanziert. Wenn es so richtig gut läuft, bleibt dann noch Energie übrig, um sich ein paar Gedanken zu machen. "Muße, nicht Arbeit, ist das Ziel des Menschen", sagt Oscar Wilde, der trotzdem ziemlich vieles geschafft hat.
Eine Station auf meiner Suche war eine so genannte "Aktivierungshilfemaßnahme" für "Jugendliche mit Migrationshintergrund", gefördert über das Jobcenter, U25. Die Idee: mehrfach diskriminierte Jugendliche "motivieren und vermitteln" - bist du nur fit, dann findet sich schon ein Job. Und da sich Arbeitgeber*innen regelmäßig über mies qualifizierte Jugendliche beschweren, muss es ja an denen liegen, dass die Jugendarbeitslosigkeit so hoch ist.
So richtig befriedigend war es aber nicht, den Jugendlichen bei der 50. sinnlosen Bewerbung zu helfen. Und keine Antwort zu finden auf "Warum sitzen wir schon wieder nur unter uns hier rum? Das war schon in der Grund- und Oberschule so." oder "Woher willst du überhaupt wissen, was wir brauchen?"
Das Äquivalent zu solchen Maßnahmen für die gutbetuchte Mittelschicht ist wohl so was hier: http://www.corneliagumm.de/index.php ("Ihre äußere Erscheinung hat immer entscheidenden Einfluss auf Ihren Erfolg, besonders im Berufsleben. Es liegt also auf der Hand, dies zu Ihrem Vorteil zu nutzen – mit einer professionellen Stilberatung. Schließlich ist es heute in vielen Bereichen selbstverständlich, einen Profi zu konsultieren, um schneller und vor allem leichter die gewünschten Ziele zu erreichen.")
Probiere ich mal, sobald ich genug Geld habe. Der "Geschenkgutschein Classic" für 475 Euro sollte doch drin sein. (Danke an Chris Köver für den erhellenden Link)
Eine weitere Station: große politische Stiftung, Projektarbeit zu Rechtsextremismus im ländlichen Raum. Klingt sinnvoll. Intern: Keine politischen Debatten erwünscht, keine Hinterfragung von Anweisungen erwünscht, miese Bezahlung. Neugierig gefragt: "Warum arbeiten hier eigentlich nur Frauen?", Antwort: "Für das Geld kriege ich keine qualifizierten Männer."
Next Stop: linkes Medienprojekt.
Permanente Diskussionen über die Übermacht der Frauen in den Medien, über angeblich ungerechtfertigte Vergewaltigungsvorwürfe, über vermeintlich sinnlose Quoten für Migrant*innen, über das Recht eines Chefs, seine Mitarbeiterinnen anzuschreien. Die Kündigung hat wirklich Spaß gemacht und sich sinnvoll angefühlt. Geht doch, Sinnfindung im Arbeitskontext.
Und dann: ein migrantisches Frauenprojekt, das insgeheim von einem Mann geleitet wird, einem Mann, der Feminismus für überholt hält und Empowerment für eine seltsame Hipster-Idee. Mein Job: Diversity darstellen - sehr gute Idee, eine Biodeutsche reinzuholen, um Vielfalt zu repräsentieren. Meine Lieblingsfrage, nachdem ich ein paar Workshops und Museumsbesuche organisiert habe: "Können wir nicht mal Leute einladen und über Identität und so diskutieren?" Schließlich ist die Auseinandersetzung mit Herkunft und Identität Projektziel, das leuchtet mir also ein. Der nächste Flyer könnte so aussehen: "Diskutieren Sie mit uns über Identität und Herkunft. Teilnahme kostenlos, jeden Montag 18 Uhr". Das wird spannend.
Und jetzt? Doch eine blöde Idee, einen Job zu suchen, in den ich meine persönlichen und politischen Überzeugungen einbringen kann? Vielleicht doch lieber beim Springer-Verlag oder so anfangen - die zahlen wenigstens einigermaßen und haben einen Betriebsrat?
Sich an Paul Lafargue halten? "Ein Bürger, der seine Arbeit für Geld hergibt, erniedrigt sich zum Rang eines Sklaven; er begeht ein Verbrechen, das jahrelanges Gefängnis verdient."
Das Manifest gegen die Arbeit umsetzen? "Wir haben eine Welt jenseits der Arbeit zu gewinnen."
Leider im Moment auch nicht so richtig praktikabel. Dazu fehlen noch ein paar Voraussetzungen.
Und ja, Luxusproblem, mag sein.
Und was hat das eigentlich mit dem Studium zu tun? Vielleicht zumindest mit meiner Angst, schon wieder eine Weiterbildung zu besuchen, die einen Haufen Geld kostet und am Ende nur meiner Selbstreflektion dient, weil ich das Gelernte nicht anwende. Das wäre mir zu wenig.
Beim Nachdenken über eine der Aufgaben für das Studium ("Welche Ziele verfolgst du mit dem Studium?") fällt mir natürlich unter anderem ein, dass ich mit dem Schreiben oder dem Abhalten von Schreibkursen GELD verdienen will. Wieso eigentlich? Wieso kann ich nicht einfach einen 9-5- oder 0-8-Job machen, der meine Miete finanziert? Wieso bilde ich mir ein, Lohnarbeit müsste mich glücklich machen oder zumindest irgendwas mit mir zu tun haben?
Ich bin ja nicht die einzige, die an die grenzenlose Selbstoptimierung glaubt, die uns irgendwann dazu befähigen wird, in dieser Gesellschaft einen sinnvollen Platz auszufüllen, der uns dann auch noch Brötchen, ein Bett und vielleicht ein paar Urlaubsreisen finanziert. Wenn es so richtig gut läuft, bleibt dann noch Energie übrig, um sich ein paar Gedanken zu machen. "Muße, nicht Arbeit, ist das Ziel des Menschen", sagt Oscar Wilde, der trotzdem ziemlich vieles geschafft hat.
Eine Station auf meiner Suche war eine so genannte "Aktivierungshilfemaßnahme" für "Jugendliche mit Migrationshintergrund", gefördert über das Jobcenter, U25. Die Idee: mehrfach diskriminierte Jugendliche "motivieren und vermitteln" - bist du nur fit, dann findet sich schon ein Job. Und da sich Arbeitgeber*innen regelmäßig über mies qualifizierte Jugendliche beschweren, muss es ja an denen liegen, dass die Jugendarbeitslosigkeit so hoch ist.
So richtig befriedigend war es aber nicht, den Jugendlichen bei der 50. sinnlosen Bewerbung zu helfen. Und keine Antwort zu finden auf "Warum sitzen wir schon wieder nur unter uns hier rum? Das war schon in der Grund- und Oberschule so." oder "Woher willst du überhaupt wissen, was wir brauchen?"
Das Äquivalent zu solchen Maßnahmen für die gutbetuchte Mittelschicht ist wohl so was hier: http://www.corneliagumm.de/index.php ("Ihre äußere Erscheinung hat immer entscheidenden Einfluss auf Ihren Erfolg, besonders im Berufsleben. Es liegt also auf der Hand, dies zu Ihrem Vorteil zu nutzen – mit einer professionellen Stilberatung. Schließlich ist es heute in vielen Bereichen selbstverständlich, einen Profi zu konsultieren, um schneller und vor allem leichter die gewünschten Ziele zu erreichen.")
Probiere ich mal, sobald ich genug Geld habe. Der "Geschenkgutschein Classic" für 475 Euro sollte doch drin sein. (Danke an Chris Köver für den erhellenden Link)
Eine weitere Station: große politische Stiftung, Projektarbeit zu Rechtsextremismus im ländlichen Raum. Klingt sinnvoll. Intern: Keine politischen Debatten erwünscht, keine Hinterfragung von Anweisungen erwünscht, miese Bezahlung. Neugierig gefragt: "Warum arbeiten hier eigentlich nur Frauen?", Antwort: "Für das Geld kriege ich keine qualifizierten Männer."
Next Stop: linkes Medienprojekt.
Permanente Diskussionen über die Übermacht der Frauen in den Medien, über angeblich ungerechtfertigte Vergewaltigungsvorwürfe, über vermeintlich sinnlose Quoten für Migrant*innen, über das Recht eines Chefs, seine Mitarbeiterinnen anzuschreien. Die Kündigung hat wirklich Spaß gemacht und sich sinnvoll angefühlt. Geht doch, Sinnfindung im Arbeitskontext.
Und dann: ein migrantisches Frauenprojekt, das insgeheim von einem Mann geleitet wird, einem Mann, der Feminismus für überholt hält und Empowerment für eine seltsame Hipster-Idee. Mein Job: Diversity darstellen - sehr gute Idee, eine Biodeutsche reinzuholen, um Vielfalt zu repräsentieren. Meine Lieblingsfrage, nachdem ich ein paar Workshops und Museumsbesuche organisiert habe: "Können wir nicht mal Leute einladen und über Identität und so diskutieren?" Schließlich ist die Auseinandersetzung mit Herkunft und Identität Projektziel, das leuchtet mir also ein. Der nächste Flyer könnte so aussehen: "Diskutieren Sie mit uns über Identität und Herkunft. Teilnahme kostenlos, jeden Montag 18 Uhr". Das wird spannend.
Und jetzt? Doch eine blöde Idee, einen Job zu suchen, in den ich meine persönlichen und politischen Überzeugungen einbringen kann? Vielleicht doch lieber beim Springer-Verlag oder so anfangen - die zahlen wenigstens einigermaßen und haben einen Betriebsrat?
Sich an Paul Lafargue halten? "Ein Bürger, der seine Arbeit für Geld hergibt, erniedrigt sich zum Rang eines Sklaven; er begeht ein Verbrechen, das jahrelanges Gefängnis verdient."
Das Manifest gegen die Arbeit umsetzen? "Wir haben eine Welt jenseits der Arbeit zu gewinnen."
Leider im Moment auch nicht so richtig praktikabel. Dazu fehlen noch ein paar Voraussetzungen.
Und ja, Luxusproblem, mag sein.
Und was hat das eigentlich mit dem Studium zu tun? Vielleicht zumindest mit meiner Angst, schon wieder eine Weiterbildung zu besuchen, die einen Haufen Geld kostet und am Ende nur meiner Selbstreflektion dient, weil ich das Gelernte nicht anwende. Das wäre mir zu wenig.