Freitag, 13. März 2015

Willst du mal mein Pferd sehen



Willst du mal mein Pferd sehen, fragt das Kind, das Handy in der Hand und die Fotogalerie geöffnet. Das Pferd ist ein dickes Monstrum, gutgenährt scheint es und grinst glücklich in die Kamera. Aber meine Kompetenz in Sachen Pferde reicht nicht allzu weit. Wer weiß, vielleicht ist dieses Pferd hier mangelernährt, übergewichtig, schlecht gepflegt und das vermeintliche Grinsen ein Blecken schmerzender Zähne. Das Kind hier ist all das zumindest nicht. Sein Anblick lässt auf einen vollen Kleiderschrank schließen, auf tägliche Körperpflege, gesunde Ernährung. Wahrscheinlich gilt das auch für dieses Pferd. Eltern, die ihrem Kind gebügelte Hosen anziehen, die ihm täglich die Haare waschen und Wert auf so extravagante Hobbys wie Reiten legen, achten wahrscheinlich auch auf artgerechte Tierhaltung, oder nicht?

Freitag, 6. März 2015

Erste Sätze, letzte Sätze

Was passiert eigentlich, wenn die Anfangs- und Schlusssätze aus wahllos zusammengesuchten Romanen zu einem neuen Text zusammengestellt werden? In einer schlaflosen Nacht hab ich das ausprobiert. Und ohne einen einzigen eigenen Satz steht dann da so was:



Bisher passierte folgendes: Am Anfang wurde das Universum erschaffen. Die Sonne schien, da sie keine andere Wahl hatte, auf das Nichts des Neuen.
Am Anfang war eine Landschaft.
Da war eine Mauer.
Eine kleine Station an der Strecke, welche nach Russland führt.
Der Irrsinn einer herbstlichen Prärie-Kaltfront, näherkommend.
Ein grauer gedrungener Bau, nur vierunddreißig Stockwerke hoch.
Die Kleidung der Sträflinge ist rosa und weiß gestreift.
Sie waren Blendwerk, unecht, ganz wie die Wunden, die Gliedstümpfe und die Blindheit. Es war eine Lust, Feuer zu legen.

Ich weiß noch, dass ich mich gestern für den glücklichsten Menschen auf der ganzen Welt

Lesebühnentexte





Lesebühnentexte sind ja so eine Sache. Meistens haben sie einen bestimmten Tonfall, bestimmte Inhalte, bestimmt Figuren. Kann ich das, will ich das? Darum geht es in dem ersten Text, den ich zwischen den Texten von Alissa Wyrdguth und Gary Flanell gelesen habe:




Ich hab mir vorgenommen, zum Vorlesen auch mal so einen Lesebühnentext zu schreiben, die meistens anfangen mit „Gestern auf dem Weg zum Späti ist mir das Leergut runtergefallen“ oder „wenn man im Winter die Wäsche aufhängt, frieren einem ja meistens die Hände ein“. Manchmal geht der Einstieg auch so:

Montag, 1. September 2014

Bitte entspannen Sie jetzt!

Nach einem einmonatigen Aufenthalt in einer süddeutschen Kleinstadt wieder in Berlin leben, das bedeutet für mich zunächst einen erhöhten Pulsschlag und die Unfähigkeit, Termine einzuhalten. Ich komme einfach immer zu spät: Bayreuth hat mich verlangsamt und dem Großstadttempo entwöhnt. Also fliehe ich gleich wieder aufs Land und verbringe den ersten Sonntag an einem Ort, von dem ich mir slow motion und Entspannung erwarte: die Kristalltherme in Ludwigsfelde. Eins habe ich allerdings vergessen: Entspannung so ganz frei Schnauze? Nö. Zuerst müssen Regeln erlernt und eingehalten werden. Wer keine Disziplin zeigt, darf nicht entspannen.

In der Therme gibt es nicht nur 12 verschiedene Saunen, "heilende" Edelsteine, einen Kristallpfad, sondern auch zahlreiche thematische Aufgüsse, etwa den "Damen-Spezial-Aufguss 'Die zarteste Versuchung'" und den "Männer-Spezial-Aufguss 'Selbst ist der Mann'". Was das Männer- bzw. Damenspezifische dieser Angebote ist, habe ich nicht herausgefunden, weil ich mich stattdessen für den ebenso vielversprechenden "Hildegard-von-Bingen-Aufguss" entschieden habe.

Mit etwa 100 anderen Schwitzwilligen setze ich die ausgeteilte Eisbrille auf, reibe mich mit